Strafverteidigung allgemein

„Es ist davon auszugehen, dass die anwaltliche Berufsausübung grundsätzlich der freien und unreglementierten Selbstbestimmung des Einzelnen unterliegt. Als unabhängiges Organ der Rechtspflege und als der berufene Berater und Vertreter der Rechtssuchenden hat er die Aufgabe, zum Finden einer sachgerechten Entscheidung beizutragen, das Gericht – und ebenso Staatsanwaltschaft oder Behörden – vor Fehlentscheidungen zu Lasten seines Mandanten zu bewahren und diesen vor verfassungswidriger Beeinträchtigung oder staatlicher Machtüberschreitung zu sichern; insbesondere soll er die rechtsunkundige Partei vor der Gefahr des Rechtsverlustes schützen. Die Wahrnehmung dieser Aufgaben erlaubt es dem Anwalt – ebenso wie dem Richter – nicht immer so schonend mit den Verfahrensbeteiligten umzugehen, dass diese sich nicht in ihrer Persönlichkeit beeinträchtigt fühlen.

Nach allgemeiner Auffassung darf er im „Kampf um das Recht“ auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfähige Schlagworte benutzen, ferner Urteilsschelte üben oder „ad personam“ argumentieren, um beispielsweise eine mögliche Voreingenommenheit eines Richters oder die Sachkunde eines Sachverständigen zu kritisieren. Nicht entscheidend kann sein, ob ein Anwalt seine Kritik anders hätte formulieren können. Denn grundsätzlich unterliegt auch die Form der Meinungsäußerung, der durch Artikel 5 Abs. 1 GG geschützten Selbstbestimmung.

Die Grenze einer zumutbaren Beschränkung der Berufsausübung und der Meinungsfreiheit wird insbesondere überschritten, wenn Kammervorstände oder Ehrengerichte Äußerungen eines Anwalts als standeswidrig mit der Begründung beanstanden, sie würden von anderen Verfahrensbeteiligten als stilwidrig, ungehörig oder als Verstoß gegen den guten Ton oder das Taktgefühl empfunden oder sie seien für das Ansehen des Anwaltsstandes abträglich. Solche Reglementierungen können nicht Sache der Standesorganisation für einen Beruf sein, zu dessen Aufgaben gerade das Äußern von Meinungen gehört und für den Wort und Schrift die wichtigsten „Berufswaffen“ sind.“

Anders als das Bundesverfassungsgericht verwenden die Senate des BGH den Begriff „Organ der Rechtspflege“ in leicht abgewandelter Form und setzen hierauf eine stärkere Betonung. So der 1. Strafsenat des BGH in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1992:

„Der Auftrag der Verteidigung liegt nicht ausschließlich im Interesse des Beschuldigten, sondern auch in einer am Rechtsstaatsgedanken ausgerichteten Strafrechtspflege. Der Verteidiger, von dem das Gesetz besondere Sachkunde verlangt, ist der Beistand, nicht der Vertreter des Beschuldigten, an dessen Weisungen er nicht gebunden ist. Die Strafprozessordnung geht deshalb folgerichtig davon aus, dass es in gewissen Fällen sachdienlich sein kann, Rechte des Beschuldigten nur über den Verteidiger ausüben zu lassen. ...“


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